Mittwoch, 4. September 2013

Mein Leben in Dar - einige Anektdoten und Momentaufnahmen

Dars Straßen sind nicht immer einfach befahrbar
  • Der Verkehr ist in Dar zur Rush Hour noch schlimmer als in Kapstadt, wahrscheinlich vergleichbar mit Kairo oder anderen ähnlich großen Städten. Die Ampeln beachten die vielen Autos (unglaublich viele Trucks, SUVs etc.), Taxis, LKWs, Bajaji (wie indische Tuk tuks), Motorradfahrer (Piki piki) und vor allem die Dala dalas (Minibusse = public transport) genauso wenig wie alle anderen Regeln der Strassenverkehrsordnung. So stehen relativ häufig Polizist*innen an den Kreuzungen, um den Verkehr zu regeln, der sonst einer einzigen Anarchie gleicht. Vor allem Dala dalas fahren frei nach dem Motto, wer zuerst kommt, hat Recht und bremsen deshalb erst in allereletzter Sekunde. Dafür ist eine Fahrt mit dem Dala dala innerhalb Dars auch spottbillig (400 TSh = 20 Cent).
  • In Tanzania ticken die Uhren anders: Die Zeitzählung faengt mit Sonnenaufgang, also um 6 Uhr an, d.h. saa tatu (3) asubuhi ist 9 Uhr morgens nach unserer Zeitzählung. Diese tansanische Zeitzählung findet man auf wenigen Uhren im Aga Khan Hospital und auch Sidaz'  und Agathas Uhren zeigen ab und zu die tansanische Zeit an.
  • Wenn man dem City Center entflieht und in Richtung der Halbinsel Msasani einige Taximinuten in nördlicher Richtung ankommt, befindet man sich in einer anderen Welt, denn hier stehen nicht nur die mit hohen Mauer umzäunten Botschaftshäuser, sondern auch die umzäunten Wohngegenden und Villen der Wohlhabenderen und Reicheren von Dar. Hier finden die Gespräche in den Pubs und Bars häufig in einem Mix aus Swahili und Englisch statt und der Kleidungsstil gleicht dem Unseren. In Msasani findet man auch den Strand Oyster Bay mit der Bar "Coco Beach", wo man bei einer Coke am Strand chillen kann. Auch hier bieten Strandverkäufer*innen Chips, Schmuck, Sonnenbrillen, Süßes uvm. an. An den Stränden in und um Dar sieht man meistens große Schwimmreifen, da viele Tansanier*innen nicht schwimmen können. Und so wird man als Mzungu auch des Öfteren gefragt, ob man dem/derjenigen nicht Schwimmen beibringen könne (ein Paradies für Anny ;)).
  • Da bei uns im Hof morgens und mittags Essen gebraten/kocht und verkauft wird, schwirren immer hunderte Fliegen herum und auch Ratten kann man fast jeden Abend beim Hochklettern an Häuserwänden beobachten. Auch an die Spinnen im Plumpsklo, der "Dusche" und meinem Zimmer hab ich mich gewöhnt. Nur mit den Kakerlaken konnte ich bis jetzt noch keine Freundschaft schließen. Vor allem nachdem Agatha beim Putzen eine (tote) unter meinem Bett hervorgeholt hat und mich gerne nachts auf dem Klo erschrecken...! Zu meinen weiteren Haustieren konnte ich außerdem ab und zu Eidechsen und eine Maus, die mein Brot angeknabbert hat, zählen
  • Es gibt zwar auch eine Mall in Mwenge nach westlichem Vorbild, die afrikanische Version eines Einkaufszentrums ist aber eher der Markt in Kariakoo. Hier finden sich Strassenweise offene Geschäfte, die alles anbieten, von Elektrogeräten über Matratzen bis hin zu Drogerieartikeln und Lebensmitteln. Auch hier dürfen die Strassenverkaeufer natürlich nicht fehlen. Allerdings sollen hier auch vermehrt Handtaschendiebe unterwegs sein. Ausserdem ist es eine grosse Haltestelle der Dala dalas.
  • Auch in Mwenge gibt es einen Markt, der vor allem nachts zum Leben erwacht, wenn die Verkäufer ihre Waren (Schuhe, Klamotten) auf Decken oder Wagen (Drogerieartikel und Obst) mit Lampen ausleuchten und lauthals den Preis des Angebotenen kundgeben.
  • Müll wird abseits des City Centers einfach auf einem Haufen verbrannt. Unser Müll wurde wohl abgeholt - es gibt anscheinend private und öffentliche Müllunternehmen - so ganz habe ich das System nicht verstanden. Am Ende wird der Müll wahrscheinlich auch wieder nur irgendwo verbrannt...
  • Obwohl Flaschenpfand nur auf GGlasflaschen gibt, sieht man häufig Plastikflaschensammler*innen. Wahrscheinlich können sie diese irgendwo weiter verkaufen. 
  • Es ist nicht nur üblich, dass bei Krankheit häufig zunächst traditionelle Medizin genommen wird, auch der starke Glaube vieler Menschen bringt die Patienten dazu, (neben finanziellen Gründen) oft erst spät eine Klinik aufzusuchen. Wir haben beispielsweise die Knöchelfraktur einer Dame operiert, die zunächst versucht hat durch Gebete geheilt zu werden.
  • Das Handy ist hier, wie bei uns, ständiger Begleiter und ohne ein modernes Leben kaum möglich. Hier wird auch Geld mit dem Handy überwiesen, Strom gekauft und natürlich soziale Kontakte gepflegt. Dafür kauft man einfach Airtime (Kredit) fürs Handy oder den PC, was recht günstig ist.
  • Ca. einmal die Woche gibt es einen Stromausfall, der meist ein paar Stunden dauert. Dann heißt es wieder überall "Nimesikia Tenesco" (ich hasse Tenesco = der Stromkonzern, der Tansania mit Strom versorgt) bzw. "Welcome to Africa" ;) besonders ecklig ist es allerdings, wenn bei Stromausfall durch eine Straße mit Geschäften läuft, weil dann überall die lauten und stinkenden Dieselgeneratoren laufen.
  • Kiswahili ist die Nationalsprache in Tanzania und viele Menschen können die Sprache ihres Stammes nicht mehr sprechen bzw. geben sie nicht mehr an ihre Kinder weiter. Es ist in Dar auch nicht so selbstverständlich, dass alle Englisch können, die Schulbildung sorgt leider nicht für die besten Sprachkenntnisse.
  • In Dar leben viele Menschen indischen Ursprungs, teilweise schon seit vielen Generationen. Ihre Sprache und Kultur haben die meisten Familien allerdings trotzdem erhalten und auch den gesellschaftlichen Stand: Indische und arabische Afrikaner*innen haben meist die besseren Jobs in Dar.
  • Das Nightlife in Dar kann sich sehen lassen: es gibt viele Bars und Clubs und es ist auch meist gute Stimmung und alle tanzen :)
  • In Tansania ist es üblich frisches,  auf dem Markt gekauftes Gemüse zu kochen, anstatt Fertigprodukte im Supermarkt zu kaufen. Von denen gibt es ohnehin nur wenige in Dar.
  • Die verschiedenen Biermarken haben hier so coole Namen wie Safari, Kilimanjaro, Ndovu (Elefant) und . Über den Geschmack kann ich euch nix sagen - das darf dann mein Papa ausprobieren :)
  • Den größeren Stellenwert von Familie in Tansania bemerkt man auch daran, dass man sich hier als 'Dada' (Schwester) oder 'Kaka' (Schwester) bzw. Baba/Mama und Bibi (Oma)/Babu (Opa) anspricht, egal ob auf der Strasse oder den/die Kellner*in im Restaurant. 

Meine schönsten Momente in Tanganyka


- in Dars Clubs auf Bongoflava und HipHop die Hüften schwingen und Komplimente (von Mädels) fürs Tanzen bekommen -

- am verlassenen Strand in Bagamoyo entlang laufen, den Wellen lauschen, die Sonnenstrahlen kitzeln auf der Nase und nur den Fischern und Krabben bei ihrer Arbeit zuschauen -

- mit Agatha in der Küche stehen und ihr dabei helfen eine ihrer Köstlichkeiten
Agatha kocht Ugali
zubereiten -

- mit Rebecca, Sira und Leon bei Kerzenlicht gemeinsam an einem schönen Abend Agathas Festmahl verspeisen -

- bei einer Probestunde von Muftis Tanzgruppe mitmachen, eine Choreografie traditionell afrikanischen Tanz lernen und ihnen ein paar Modern- und Lateinamerikanische Schritte beibringen -

- im Village Museum bei einem Spaziergang mit Daniel durchs 'wet land' Meerkatzen entdecken und von einer Tänzerin afrikanischen Tanz beigebracht bekommen -

- mit Mukasa, Maryam, Jimmy und den anderen Ärzt*innen im On-Call-Zimmer chillen und über Allah und die Welt unterhalten oder von Maryam erfahren, dass ihre Ehe arrangiert war und sie das durchaus als das bessere System sehen würde -


- mit Dr Njau als erste Assistenz bei einer Mastektomie operieren und nach dem Zunähen vom Anästhesisten "she got a surgeon's hands" zu hören (tollstes Kompliment seit langem ;)) -
laparoskopische Cholezystektmie

- auf dem Kisutu Market frisches Gemüse und Ugali bei dem Verkäufer, der mich schon kennt, ergattern, was ich danach mit Agatha koche und verspeise -

- weil das Gas aus ist, mit Agatha über dem offenen Feuer frische leckere Chapati braten -

- mit Agathas Sohn Daniel Seilspringen,  er zählt auf Englisch mit und ich auf Kiswahili -
Agathas Jüngster: Daniel

- in Bagamoyo erst auf dem Markt einkaufen, dann mit Mufti und den Jungs aus seiner Band bei ihm zuhause oder mit Margie im Garten des Baobab-Studios kochen -

- mit Sidaz spontan abends ins Meer springen und durch die Wellen kraulen -

- im Büro des TV-Senders, bei dem Sidaz arbeitet, spontan ein Radiointerview führen :D -
mein erstes Radiointerview ;)

- im Club einen Song auf Swahili mitsingen können, weil ich ihn schon so oft gehört hab :) -

- mit Agatha in ihren Sportclub zum Aerobic zu gehen und endlich mal wieder Sport zu machen (gemeinsam mit ca. 15 anderen indischen und afrikanischen Mädchen und Frauen, von denen ich wohl die schlankeste war ^^) -

- im Baobab-Studio in Bagamoyo zuschauen und zuhören, wie ein neuer Song produziert wird (und bei einem Song im Background mitsingen) -

- bei Pili in Bagamoyo einen Kitenge (afrikanischen Stoff) abgeben und 6 Stunden später ein maßgeschneidertes schönes Kleid abholen! (Für umgerechnet 5 + 4 €!) -

- einen wunderschön von Sidaz' Schwester auf traditionelle Weise (weil Stromausfall...) gebackenen und
verzierten Kuchen an meinem letzten Tag zusammen mit den Ärzt*innen verspeisen -

Baobab-Spider
- die größte Spinne, die ich je gesehen habe, im Garten des Baobab-Studios als Haustier akzeptieren und seitdem keine Angst mehr vor Spinnen zu haben. (Hätte bei der Expositionstherapie trotzdem gerne Anna-Lena dabei gehabt ;)) -

- nachdem ich in der Milimani-Mall nicht fündig geworden bin auf dem Markt in Mwenge günstige und schöne gebrauchte Ballerinas in meiner Größe finden (fairtrade ;)) -

- durch Bagamoyo laufen und von sechs auf mich zu stürmenden 'mzungu, mzungu'-rufenden kleinen Kindern umkreist werden, die einen alle umarmen wollen -

- bei einem Rap Freestyle Kontest den Beats & Rhymes der lokalen und landesweiten Hiphop-Stars lauschen -

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